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Online-Second Hand-Shops im selbstlosen Selbsttest

31.07.2022

Was mit der Suche nach ein paar speziellen Teilen für ein Faschingskostüm begann, wurde zu einem recht ausführlichen Benchmarking bei der mittlerweile sehr zahlreichen Online-Konkurrenz.

Für die gezielte Suche kamen mir Kategorieneinteilung, Filterung und Suchfunktion auf Sellpy sehr entgegen. Die Artikelbeschreibungen sind sehr ausführlich: Marke, Größe, Farbe, Material, Zustand, defekte Stellen werden auf einem extra Bild angezeigt – meistens jedenfalls… Die Preise sind abhängig von der Bewertung durch Sellpy und wie lange das Teil schon online steht. Die Herkunft der Stücke ist nicht näher bekannt, da die Stücke in einer Tasche an Sellpy geschickt werden. Etwa 40 % des erzielten Verkaufspreises gehen an den/die Verkäufer*in. Das Impressum verrät nicht direkt, welcher Konzern hinter Sellpy steckt. Eine kurze Recherche ergibt, dass H&M zu ca. 75 % an Sellpy beteiligt ist und auch in seinen Shops die Sellpy-Taschen anbietet. Es ist also davon auszugehen, dass nicht nur Second Hand-Ware, sondern auch die hauseigene Überproduktion auf Sellpy landet - was den hohen Anteil von H&M-Sachen erklären würde, siehe https://www.reboundstuff.de/post/sellpy-h-m-bringt-neues-second-hand-konzept-aus-schweden-nach-deutschland. Nach 3 Tagen kam die Lieferung an, und nach dem Auspacken die Ernüchterung. Die Vintage-Bomberjacke von Beyond Retro um 4 € hat einen ziemlichen Fleck am rechten Ärmel – der nicht erwähnt wurde, und auch nach dem Waschen nicht rausgegangen ist. Bei den Riemchenpumps von Rainbow Collection um 3 € ist das Fußbett schon ziemlich abgenützt und sie tragen dennoch den Zustand „Gut“ – ich würde Schuhe in diesem Zustand nicht einmal mehr annehmen! Aber wie eingangs erwähnt, für ein Faschingskostüm und für den Preis absolut in Ordnung. Bei einer zweiten Bestellung war ein Cocktailkleid von Esprit um 5 € dabei, das als „S/M geschätzt“ angegeben wurde, obwohl auf dem Größenetikett die deutsche Konfektionsgröße 34 angegeben war. Die nicht fachgerechte händische Naht am Ausschnitt wurde auch nicht erwähnt. Bei den Sandalen von Graceland um 4,50 € löste sich an mehreren Stellen durch bloße Berührung die Beschichtung, sodass sie nicht tragbar waren. Das ist selbst für den Preis absolut nicht in Ordnung.

Als nächstes habe ich den Mädchenflohmarkt getestet. Laut Impressum in Deutschland ansässig, funktioniert der Mädchenflohmarkt wie Willhaben, aber auf Damen-Kleidung und Accessoires spezialisiert. Auch hier geht nicht der gesamte Verkaufserlös an die Verkäuferinnen, es werden 10 % bei selbst eingestellten Artikeln und bis zu 40 % bei Nutzung des sogenannten Concierge-Service als Provision berechnet. Es gibt die Möglichkeit, interessante Artikel vorerst auf eine Wunschliste zu setzen. Eine gern getragene weiße Strickweste mit Kapuze und Knöpfen von QS by s.Oliver um gerade mal 1 €? Kaum zu glauben, so billig! Wieder 3 Teile ausgesucht, ab zur Kasse. Da die 3 Teile von drei unterschiedlichen Verkäuferinnen aus Deutschland stammen, kommt leider noch 3x Versand in Höhe von jeweils ca. 7 € hinzu. OK, trotzdem immer noch recht billig. Der Versand dauerte auch einige Tage länger, da die Verkäuferinnen die Ware selbst verpacken und verschicken müssen. Die weiße Strickweste war schneeweiß und wie neu, die weißen Loafers von Bronx mit Tragespuren um 11 € tatsächlich etwas abgenutzt aber tragbar. Eine Bewertung des Kaufes – wie man es von vielen anderen Internet-Portalen kennt – ist hier möglich. Die Krux an diesen Bewertungen wird hier thematisiert: https://www.startbase.de/reports/darum-hat-maedchenflohmarkt-derzeit-massive-probleme/.

Babäm! ist eine 100 % Tochter der SOS Kinderdörfer und betreibt auch einen Shop in Wien. Die Auswahl ist weniger riesengroß, aber dafür wirklich ausgewählt! Auch hier sind Hinweise zum Zustand vorhanden. Nettes Feature finde ich Shoppen nach Style, z.B. Vintage, Curvy oder Sport. Die Preise sind vergleichsweise hoch angesetzt, aber der gute Zweck sowie 15 % Rabatt auf die erste Bestellung beruhigen das schlechte Shopping-Gewissen. 6 Oberteile, darunter eine Vintage-Bluse um 14 €, waren in wenigen Tagen geliefert. Alle in absolutem Top-Zustand, der Preis gerade noch gerechtfertigt wie ich finde. Eine weitere Bestellung von Hosen war eher ernüchternd, nichts hat gepasst oder gefallen, dafür war die Rücksendung mit der österreichischen Post gratis und unkompliziert. Und ich habe mit den behaltenen Artikeln die SOS Kinderdörfer unterstützt. Dieser karitative Aspekt ist wohl der Hauptgrund dafür, dass die Darstellung von Babäm! in den Medien (derzeit) durchwegs positiv ist.

Momox bietet sogar 20 % Rabatt auf die erste Bestellung. Da fallen endgültig sämtliche Hemmungen! Ich suche nach einer meiner Lieblingsmarken von früher, die es im normalen Handel gar nicht mehr zu kaufen gibt. Eine schier unendlich lange Liste, selbst nach der Filterung nach Größe(n) bleiben noch ein paar dutzend (!) Seiten zum Durchklicken. Die Suche nach Motiven ist leider nicht möglich, das wäre noch ein wünschenswertes Feature, vor allem bei dem riesengroßen Angebot. Neue Shirts brauche ich sowieso dringend, Shorts auch… daraus wurde ein Großeinkauf. 20 Teile um 250 €, um dieses Geld bekommt man im Normalpreis-Shop vielleicht 5 Teile. Das Shirt von Naketano um 8,90 € (Einstellpreis 31,90 €) sieht neu und ungetragen aus, es riecht sogar fabrikneu! Die Flecken auf der karierten Herren-Shorts von Camp David um 8,90 € (Einstellpreis 35,90 €) sehen exakt so aus wie auf dem Bild angegeben. Diesbezüglich kauft man hier keine Katze im Sack, zumindest meiner Erfahrung nach. Die Rücksendung gestaltet sich außerhalb von Deutschland etwas umständlich, man muss auf eigene Kosten versenden - was bei so günstigen Teilen schon mal mehr als den Warenwert ausmacht! Nach 3 e-mails hin und her habe ich zusätzlich zum Warenwert auch die Versandkosten rücküberwiesen bekommen. Neben Kleidung werden hier auch Bücher, Tonträger und Spiele verkauft. Da Momox schon länger existiert (früher unter dem Namen ubup), gibt es auch schon zahlreiche Erfahrungsberichte, siehe z.B. https://www.pfennigheldin.de/momox-fashion-erfahrungen-mit-dem-verkauf-gebrauchter-kleidung/.

Zu guter Letzt bin ich durch intensive TV-Werbung auf Vinted aufmerksam geworden (früher Kleiderkreisel). Ähnlich wie beim Mädchenflohmarkt stellen private Verkäufer*innen aus ganz Europa ihre Sachen online. Die automatische Übersetzung mit Google erleichtert die Kommunikation in allen europäischen Sprachen deutlich. Ein Kleid von Christopher Ari um 30 €, das exakt so aussieht wie mein Blumen-Logo, und noch dazu in Wien? Durch die Abholung vor Ort haben wir zusätzlich zum Versand auch die Käuferschutzgebühr in Höhe von 0,70 € + 5 % des Kaufpreises umgangen. Käuferschutz bedeutet, dass erst nach positivem Abschluss der Kaufpreis von einem Treuhandkonto an die/den Verkäufer*in ausbezahlt wird. Betrugsmaschen sind leider dennoch nicht ausgeschlossen: https://www.redaktionstest.net/news/vinted-betrug/. Der Versand ist ausschließlich an eine UPS-Abholstation möglich, und die gab es zunächst nur in Wien, Wolkersdorf und Groß Enzersdorf, bei späteren Bestellungen kam auch eine in Deutsch Wagram hinzu. Gezählte 10 e-mails für eine einzige Lieferung, uff, schließlich reicht die Abhol-Info auf Vinted. Eine gegenseitige Bewertung ist wie beim Mädchenflohmarkt möglich.

Fazit: Wer das schier endlose, stundenlange Stöbern im Netz mag und dennoch nachhaltig(er) shoppen möchte, wird mit Sicherheit fündig und mit etwas Glück auch glücklich! Wo sonst bekommt man so rasch ganz spezielle Second Hand-Teile für ein bestimmtes Outfit? Die Artikel sind sofort verfügbar, weil sie nicht erst irgendwo am anderen Ende der Welt produziert und um den halben Erdball transportiert werden müssen. Rücksendungen sind dennoch nicht zu vermeiden. Trotz zahlreicher Fotos und detaillierter Beschreibungen ist und bleibt jeder Online-Kauf ein Glücksspiel. Größenangaben können falsch sein, Farben erscheinen auf jedem Bildschirm anders, Fehler werden „übersehen“, und ob das Teil wirklich gefällt und passt weiß man erst nach dem Auspacken und Anprobieren! Bei Momox, Sellpy und Babäm! tendiert man schnell dazu mehr auf einmal zu bestellen, um Lieferkosten zu sparen und Rabattaktionen auszunutzen. Auf Vinted und Mädchenflohmarkt sind die Preise tendenziell höher angesetzt, dafür wählt man etwas gezielter aus.

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